Mit dem Gefühl der Trauer sind oft auch Gefühle des Kummers, der Angst, des Zorns, der Schuld, etc. verbunden. (1)

Es ist wichtig für unsere Gesundheit, dass wir uns unserem Trauerprozess stellen. Oft sind es Mitauslöser oder gar Auslöser von depressiven Erkrankungen und funktionellen Beschwerden Verluste, die nicht betrauert worden sind, sei es, weil Trauern als «Schwäche» abgetan wird und weil die jeweiligen Personen daher versuchen, möglichst unberührt von den Schicksalsschlägen ihr Leben weiter zu gestalten, oder sei es, weil die Verluste nicht als betrauernswert betrachtet werden, wie etwa der Verlust eines Partners oder einer Partnerin durch Scheidung oder Trennung. (2)

Mit dem Verlust steht ein wichtiger Lebensübergang an, der meistens mit einer Identitätskrise verbunden ist, in dem Sinne, dass die Identität wieder neu bestimmt werden muss, und zwar als einzelner Mensch, ohne den Partner/die Partnerin, von dem/der man sich getrennt hat. Für solche Lebensübergänge, die mit einem neuen Selbstbild und der Akzeptanz des Vergangenen verbunden sind, sind wir meistens nicht besonders gut gerüstet. Das auch deshalb nicht, weil es keine traditionellen Rituale zum Umgang damit und zu deren Bewältigung gibt. (2)

Im Verlauf der Trauerarbeit organisieren wir uns von einem Beziehungsselbst auf unser individuelles Selbst zurück, d.h. wir müssen uns wieder auf uns selbst als einzelne besinne, neu auch wieder einen eigenen Bezug zur Welt finden. Der Verlust betrifft unser ganzes Leben, besonders wenn es sich um den Verlust eines uns sehr Nahestehenden handelt. (3)

So ist der Trauerprozess ein sehr schmerzhafter Prozess, der eine eigentümliche Lebendigkeit hat, der viel Kraft und Zeit kostet und uns zwingt, uns mit uns selbst und mit der Beziehung, die abgebrochen worden ist, auseinanderzusetzen. Doch er eröffnet uns auch die Möglichkeit, neu mit uns selbst in Kontakt zu treten, aus der Gewohnheit auszutreten und vieles über unsere Beziehungsverhalten neu zu lernen. (3)

Der Trauerprozess ist für den Menschen, der ihn durchlebt, ein einsamer Prozess. In der Begegnung mit anderen Menschen kann aber viel Gutes entstehen. Wesentlich ist es, die Gefühle des Trauernden aufzunehmen, ohne dies zu verändern wollen. Das bedeutet aber, dass wir Gefühle des Kummers, der Angst, des Zorns, der Verzweiflung bei einem anderen Menschen aushalten und akzeptieren. (4)

Nach Kast kann der Trauerprozess in folgenden Phasen (5) unterteilt werden:
1. Die Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens
2. Die Phase der «aufbrechenden chaotischen Emotionen»
3. Die Phase des Suchens – Findens – und Sich-Trennens
4. Die Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs

Diesen vier Phasen gilt es mit viel Geduld zu begegnen, denn die Bewältigung brauchen ausreichend Zeit, Ruhe und kosten Energie.

Die Gefühle der Trauer überfallen Menschen immer wieder unerwartet, und ebenso gibt es immer wieder Zeiten, in denen man sich gut mit dem Verlust abfinden kann. Sich mit den Gefühlen der Trauer beschäftigen, sich für diese Zeit nehmen, das muss man dann und kann man nun, wenn sie erlebbar sind. (6)

Der Trauerprozess als Prozess bedeutet auch innezuhalten, sich zu besinnen auf sich selbst und auf das, was verloren ist. Die Lebensangst, die zur Trauer gehört, wird im Verlaufe des Trauerprozesses weniger, und es entsteht wiederum ein Interesse am Leben, eine Hoffnung auf die Zukunft. Der Trauerprozess braucht Zeit – um zu erinnern, um die verschiedenen Emotionen zuzulassen und sie auszudrücken. Man braucht Zeit für die Innenwelt, die sich deutlich umstrukturiert. Diese Zeit ist in unserer geschäftigen Zeit kaum vorgesehen, wir müssen sie uns also bewusst nehmen. (6)

In dieser Trauerarbeit im engeren Sinn werden auch die Ressourcen eines Menschen erlebbar. Diese werden zunächst sichtbar in den sogenannten Gegenregulationsmitteln. Gegenregulationsmittel sind meist ganz alltägliche Dinge, die wir geniessen und die uns wieder ins Lot bringen. (7)

In Krisen geraten wir zum einen, wenn Gegenregulationsmittel überhaupt nicht mehr greifbar, zum anderen aber auch, wenn wir gar nicht wissen, was denn eigentlich unsere Gegenregulationsmittel sind. (7)

Mit dem Durchleben eines Trauerprozesses besteht auch die Angst davor, sich ganz auf etwas Neues einzulassen, denn jetzt kennt man den Preis dafür: die Gefühle des Verlustes, die Zeiten der Trauer. (8)

Im Trauerprozess wurde aber auch gelernt, dass Verluste betrauert werden können und dass Trauerarbeit harte Arbeit ist. Man hat erfahren, dass sie einen nicht umbringt, sondern im Gegenteil auch in bewussten Kontakt mit sich selbst und auch in Kontakt mit neuen Seiten von sich selbst bringt. (8)

Der Trauerprozess kann also besonders in folgenden Aspekten als Modell für die Möglichkeit gelten, jeweils so loszulassen, dass wir wieder neu unsere Identität finden: Es geht um das Zulassen der verschiedenen heftigen Emotionen und das Herausspüren von dem, was in unserer Seele durch das, was wir jetzt verloren haben, belebt worden ist. Damit tritt die bewusste Besinnung auf das individuelle Selbst ein, das in diese Situation meistens recht unverstellt ist. Trotz des Schmerzes werden wir mit unseren Gefühlen verbunden und haben dadurch mehr innere Geborgenheit, sind mehr wir selbst. (8)

Wenn wir gelernt haben zu trauern, können wir auch im Alltag besser loslassen, wir können besser abschiedlich existieren. (8)

Ein Trauerprozess führt uns immer unweigerlich auf uns selbst zurück. Es geht darum, die eigene Identität neu zu betrachten, zu entdecken und den eigenen Selbstwert neu zu definieren. Sind wir offen für diesen Prozess, kann daraus sehr viel Gutes, Bestärkendes und Hoffnungsvolles entstehen.

Referenzen:
(1) Kast, V., Lebenskrisen werden Lebenschancen, 2000, Herder Spektrum Verlag: 65
(2) Kast, V., Lebenskrisen werden Lebenschancen, 2000, Herder Spektrum Verlag: 66-67
(3) Kast, V., Lebenskrisen werden Lebenschancen, 2000, Herder Spektrum Verlag: 68
(4) Kast, V., Lebenskrisen werden Lebenschancen, 2000, Herder Spektrum Verlag: 69
(5) Kast, V., Lebenskrisen werden Lebenschancen, 2000, Herder Spektrum Verlag: 70-81
(6) Kast, V., Lebenskrisen werden Lebenschancen, 2000, Herder Spektrum Verlag: 80
(7) Kast, V., Lebenskrisen werden Lebenschancen, 2000, Herder Spektrum Verlag: 76
(8) Kast, V., Lebenskrisen werden Lebenschancen, 2000, Herder Spektrum Verlag: 78-79

Hinweis:
Trauerprozesse können besonders herausfordernd sein. Werden diese verdrängt, kommen die zu bearbeitenden Themen meist zu einem späteren Zeitpunkt wieder zum Vorschein. Es kann sich daher lohnen, sich dem Trauerprozess bewusst hinzugeben und diesen zu gestalten. Je nach Situation kann es hilfreich sein, sich dafür professionelle Unterstützung zu holen! Beratung mittels Transaktionsanalyse unterstützt dabei, vorhandene Ressourcen zu aktivieren und anstehende Prozesse zu erleichtern.

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