Kernsymptome

Ein Symptom bezeichnet immer eine Kombination aus unterschiedlichen Symptomen. Beim Asperger-Syndrom, wie auch beim Autismus-Spektrum im Allgemeinen, handelt es sich um eine, bis heute nicht ganz verstandene, Kombination zweier Kernsymptome: Der beeinträchtigten Fähigkeit zu gegenseitiger sozialer Interaktion und sozialer Kommunikation, sowie eingeschränkter und repetitiver Verhaltensweisen und Interessen. (1)

Das Asperger-Syndrom ist bereits im Kleinkindalter am Verhalten zu beobachten. Man sollte aufmerksam werden, wenn ein Kleinkind nicht versucht, durch Gesten oder Blicke die Aufmerksamkeit zu erlagen, oder wenn sie Freude und Vergnügen nicht mit anderen teilen. Auch repetitive Verhaltensweisen können frühe Warnsignale sein. (2)

Das Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter zu diagnostizieren kann selbst für Fachleute schwierig sein. Denn erwachsene Asperger sind oft sehr gut darin, zu maskieren: Sie haben ein Leben lang gelernt, sich so zu verhalten, wie es erwartet wird. Frauen gelingt das in der Regel besser als Männern. (3)

Manche Asperger-Symptome sind bei Mädchen und Frauen oft weniger offenkundig und äussern sich auch etwas anders als bei Jungen und Männern.

  • Soziale Unsicherheit, Zurückhaltung und mangelnder Blickkontakt werden bei Mädchen oft mit Schüchternheit verwechselt.
  • Asperger-Mädchen werden häufig von sozial kompetenten Mädchen «bemuttert», statt ausgegrenzt zu werden, und können dadurch auch enge Freundschaften schliessen. Ihre sozialen Schwierigkeiten fallen daher weniger auf.
  • Mädchen mit Asperger ist das typische, oberflächliche «Girlie»-Verhalten fremd, ihre sachlichere und nüchterne Art wird gerade von den Eltern oft positiv bewertet und die Betroffenen werden deshalb manchmal überschätzt.
  • Mädchen und Frauen mit Asperger gelingt es oft gut, ihre soziale Verwirrung zu überspielen. Sie versuchen, in sozialen Situationen andere zu imitieren und behalten dabei die eigenen Gedanken und Gefühle für sich. So präsentieren sie sich in unterschiedlichen Situationen vielfach sehr verschieden. Das kann so weit gehen, dass sie, oberflächlich betrachtet, sozial sehr kompetent wirken können. Diese «Performance» hat jedoch nicht mit echtem sozialem Verständnis zu tun und ist für die Betroffenen sehr anstrengend und nicht dauerhaft durchzuhalten.
  • Sie scheuen sich daher vor sozialen Verpflichtungen und empfinden oft grosse Erleichterung, wenn sie einfach zu Hause bleiben können, auch wenn ihnen das manchmal ein schlechtes Gewissen bereitet.
  • Sie bereiten sich mental au soziale Aufgaben vor.
  • Zum Ausgleich flüchten sie sich häufig in Tagträume.
  • Auch die Spezialinteressen werden bei Mädchen oft nicht als Symptom erkannt, da sich betroffene Mädchen häufig für typische Mädchenthemen interessieren. Auffällig ist dann nur die Intensität des Interesses. (4)

Vorurteile

  • Empathie: Asperger-Betroffenen fällt es schwer, die Perspektive anderer einzunehmen. Sie haben zudem oft Schwierigkeiten, die nonverbalen Signale richtig zu deuten. Das bedeutet, dass Asperger Probleme damit haben zu erkennen, dass sich eine andere Person schlecht fühlt. Die affektive Empathie, die Fähigkeit, Mitgefühl zu empfinden, ist dagegen intakt. Sobald Asperger-Betroffenen explizit erklärt wird, was in einer Person vorgeht, bringen sie nicht weniger Mitgefühl mit als andere. Im Gegenteil, das Mitgefühl kann so stark sein, dass manche Betroffene geradezu darunter leiden. Auch wenn Tiere leiden oder über menschliches Leid und Katastrophen berichtet wird, empfinden Menschen mit Asperger oft grosses Mitleid. … Asperger zeigen ihr Mitgefühl zudem oft auf unerwartete Art und Weise. Sie überlegen eher, wie man die Situation verbessern könnte, wie man das Problem lösen könnte, anstatt ihr Mitgefühl durch Worte und Gesten zu zeigen und ganz einfach nur Trost zu spenden. Vielfach ist aber Trost genau jene Reaktion, die nicht nur erwartet, sondern auch gewünscht wird. Der eher analytische Zugang von Asperger-Betroffenen, Mitgefühl zu zeigen, wird dann fälschlicherweise als kühl und unempathisch empfunden. (5)
  • Gefühlskontrolle: Was vielen Aspergern ebenfalls Probleme bereitet, ist der Versuch, die eigenen Emotionen zu kontrollieren. Das gilt besonders für negative Gefühle wie Ärger, Wut und Angst. Was versteht man unter Gefühlskontrolle? Es ist die Fähigkeit, die emotionale Reaktion auf einen Anlass zu steuern oder so zu verändern, wie es für die Betroffenen in der jeweiligen Situation am vorteilhaftesten ist. Dazu gibt es konstruktive Möglichkeiten. Wenn man z.B. aus irgend einem Grund Ärger empfindet, kann man überlegen, ob der Ärger überhaupt angemessen ist. Oft ist der Anlass für den Ärger ja nur halb so schlimm. Man kann aber auch versuchen, die Situation, die den Ärger hervorgerufen hat, zu verändern, sodass sie weniger ärgerlich ist. (6) Diese Art der Emotionssteuerung fällt Asperger-Betroffenen allerdings in der Regel sehr schwer. Asperger kontrollieren ihre Emotionen eher auf eine schädliche Art, zum Beispiel, indem sie ihre negativen Gefühle unterdrücken. Auf diese Weise verschwinden die Gefühle jedoch nicht und auf Dauer kann diese Art der Gefühlsunterdrückung zu Isolation oder Depression führen. Autistische Menschen erleben negative Gefühle zudem häufig in einer dem Anlass unangemessenen Intensität. Dann funktioniert die Emotionskontrolle oft gar nicht mehr, und die Gefühle entladen sich in einem plötzlichen Wutausbruch – mit allen entsprechenden negativen Konsequenzen. Oder die Betroffenen reagieren, indem sie völlig abschalten oder ohne jede Erklärung einfach weggehen. Asperger haben also durchaus Gefühle. Sie zeigen sie nur anders und haben vielfach Probleme, ihre Emotionen der Situation entsprechend zu steuern und zu kontrollieren. (6)
  • Freundschaften: Schwierigkeiten im sozialen Umgang und Probleme, Freundschaften zu schliessen und aufrechtzuerhalten, zählen zu den Diagnosekriterien des Asperger-Syndroms. Das Vorurteil, Asperger hätten keine Freunde, ist daher nicht ganz substanzlos. Was dabei übersehen wird: Die meisten Asperger-Betroffenen wünschen sich Freunde, sie wissen oft nur nicht, wie sie es anstellen sollen. Tatsächlich leiden die meisten Asperger unter Einsamkeit, wenn sie keine Freunde oder Beziehungen haben. Haben Sie jedoch aufrichtige Freunde gefunden, sind sie ihnen in der Regel zuverlässige und treue Freunde, die sich sehr um den Erhalt der Freundschaft bemühen. Da Sozialkontakte aber immer auch als anstrengend erlebt werden, stehen sie selbst mit engen Freunden meist weniger häufig in Kontakt als üblich.

Was ihnen eher fremd ist, ist das Bedürfnis nach vielen unterschiedlichen Sozialkontakten oder der Wunsch, ständig neue Leute kennenzulernen. Auch Spontanbesuchen oder Gruppenaktivitäten können sie meist wenig abgewinnen. Dieses «Wir-Gefühl» stellt sich bei Asperger-Betroffenen einfach nicht ein. Stattdessen benötigen Asperger-Betroffene Zeit für sich allein, besonders dann, wenn sie nach anstrengenden sozialen Kontakten wieder «auftanken» müssen. (7)

  • Mathematik-Begabung: Nicht alle Asperger-Betroffene sind Mathematik-Genies. Was jedoch viele Menschen mit Asperger gemein ist, ist ein eher analytischer, objektiver Denkstil und der Wunsch, Muster und Gesetzmässigkeiten zu verstehen. Auch für Asperger typische Spezialinteressen liegen häufig auf technischen, naturwissenschaftlichen und auch mathematischen Gebieten. Sie können aber auch in völlig anderen Bereichen liegen, von den Geistes- und Sozialwissenschaften, künstlerischen Themen bis hin zu Trivialem. (8)
  • Humor: Asperger wirken zwar oft ernsthaft, das bedeutet aber nicht, dass sie keine Humor haben. Ihre Art von Humor ist jedoch meist eher eigenwillig und ungewöhnlich. So finden sie oft nicht das Gleiche lustig wie die Allgemeinheit. Oder es fallen ihnen Dinge auf, die andere gar nicht bemerken. Dann können sie mitunter aber sehr witzige Bemerkungen machen. Allerdings geht es ihnen dabei meist in erster Linie um den Witz an sich und weniger darum, das Lachen darüber mit anderen zu teilen. (9)

Referenzen:
(1) Asperger als Chance, Huber S., 2023, Thieme Verlag: 10-11.
(2) Asperger als Chance, Huber S., 2023, Thieme Verlag: 14.
(3) Asperger als Chance, Huber S., 2023, Thieme Verlag: 16
(4) Asperger als Chance, Huber S., 2023, Thieme Verlag: 18
(5) Asperger als Chance, Huber S., 2023, Thieme Verlag: 32
(6) Asperger als Chance, Huber S., 2023, Thieme Verlag: 34
(7) Asperger als Chance, Huber S., 2023, Thieme Verlag: 35
(8) Asperger als Chance, Huber S., 2023, Thieme Verlag: 35-36
(9) Asperger als Chance, Huber S., 2023, Thieme Verlag: 36

Hinweis:
Dieser Beitrag besteht aus zwei Teilen. Sie finden direkten Zugang via folgendem Link:
Asperger – Teil I
Asperger – Teil II

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