Merkmale

„Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ADHS ist mit einem Vorkommen von etwa 5 Prozent eine der häufigsten Störungen im Kinder- und Jugendalter. Die im Kindesalter zu beobachtenden Hauptsymptome sind die Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, eine vermehrte Impulsivität und oft auch motorische Hyperaktivität. Lange wurde angenommen, dass sich diese Symptome mit Erreichen der Pubertät auswachsen. Heute wissen wir, dass ungefähr die Hälfte aller Betroffenen auch noch im Erwachsenenalter beeinträchtige Merkmale dieser Störung aufweist.

Wie zeigen sich nun diese Merkmale bei Erwachsenen?

◦ Aufmerksamkeitsstörung bzw. Unaufmerksamkeit und Desorganisation: Betroffene haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit zu erhalten. Arbeiten zu planen und zu organisieren bzw. überhaupt in Angriff zu nehmen sind weitere Hindernisse im Tagesablauf. Gerne wird alles auf die lange Bank geschoben, dies geschieht nicht mutwillig, sondern vielmehr ist der notwendige Energieaufwand für viele Aufgaben zu gross, dass ADHS-Betroffene auf den besonderen Augenblick warten, bis sie das Gefühl „Jetzt kann ich es packen“ verspürten. Verständlicherweise kommt es so zu vielen unerledigten Dingen, … das Chaos ist sozusagen vorprogrammiert. Termine werden nicht eingehalten. Unpünktlichkeit ist an der Tagesordnung. Bei Berufstätigen verstreichen Termine, die sogar existenzbedrohende finanzielle Folgen haben können, ohne dass sich der Antrieb einstellt, endlich den geforderten Arbeitsbeitrag zu liefern. Die Vergesslichkeit, das Verlegen und Verlieren sind weitere typische Merkmale. Häufig berichten Betroffene davon, als Kind eine Lese- oder Rechtschreibschwäche gehabt zu haben (Legasthenie, Dyskalkulie). Betroffene neigen häufig zu Tagträumen, verlieren sich in diesen und lassen so kostbare Zeit verstreichen. Sogar in Gesprächen schweifen ihre Gedanken ab.

Hyperaktvität: Betroffene fühlen sich nicht in der Lage, sich zu entspannen, sie fühlen sich schnell einmal gelangweilt und brauchen immer wieder neue Anregungen und Betriebsamkeit.

Impulsivität: Betroffene haben Mühe, ihre Impulse unter Kontrolle zu halten. Sie verlieren schnell einmal die Beherrschung, reagieren oft unüberlegt und unerwartet. Es kann vorkommen, dass sie plötzlich eine „Glanzidee“ haben und dieses dann sofort in die Tat umsetzen wollen. Männer wie Frauen können auf äussere Reize, z.B. Kritik, mit Wut und Zorn reagieren – und zwar in dieser Art und Weise, die dem auslösenden Anlass nicht entspricht. … Es kommt nicht selten zu tätlichen Aggressionen, die massive Schuldgefühle bei den Betroffenen nach sich ziehen. … Nicht unerwähnt soll das impulsive Kaufverhalten bleiben, das von den nicht betroffenen Partnern häufig nicht verstanden wird.

Emotionale Instabilität: Betroffen berichten immer wieder von häufigen, raschen Stimmungswechseln, die kurz anhalten und schnell durch gegenteilige Gefühle abgelöst werden. Depressive Verstimmungen werden von einer euphorischen Stimmungslage gefolgt. Dieses Nichtwissen, nicht Einschätzen können, wie es einem von einem Moment in den anderen geht, wird subjektiv als sehr unangenehm empfunden. Man kann sich nicht auf sich selbst verlassen und Selbstzweifel sind die Folge. Aus diesem Grund werden auch sogenannte doppelte Botschaften schlecht ertragen. Entscheidungen zu fällen, ausser sie erfolgen spontan und impulsiv, fällt Betroffenen oftmals schwer.

Positive Eigenschaften: Die beschriebenen Symptome sind die Schattenseiten einer ADHS. Glücklicherweise haben ADHS-Betroffene aber auch viele positive Eigenschaften, die sie kennzeichnen und für sie charakteristisch sind. Es sind Menschen mit Enthusiasmus, Empathie, intensiver Wahrnehmung, Ideenreichtum, Naturliebe, Sinn für Gerechtigkeit, um nur einige Merkmale hervorzuheben. .. Ein grosses Einfühlungsvermögen ist eine Erklärung für das oft vorhandene „Helfer-Syndrom“. Der Phantasie ADHS-Betroffener sind keine Grenzen gesetzt, gekoppelt mit Kreativität kann Erstaunliches entstehen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Sexualität. Selbstverständlich ist das Sexualerleben etwas sehr Individuelles, und doch finden sich bei ADHS-Betroffenen Gemeinsamkeiten: Der Stellenwert der Sexualität ist sowohl für Männer wie auch für Frauen mit ADHS im Allgemeinen ausgeprägter als bei anderen Menschen. … Für ADHS-Betroffene gibt es nichts Schlimmeres als ein zur Routine erstarrtes Sexualleben: gleicher Wochentag, identische Umgebung, gleiche Stellung. Da lassen sich Betroffene leicht von ihren Gedanken ablenken, … auf diese Weise erlöschen Erregung und Freude. Ein offenes Gespräch zwischen den Partner kann bestehen Schwierigkeiten aufarbeiten helfen.“ (1)

Ursachen
Als Ursache für die ADHS wird heute eine vorwiegend genetisch bedingte, neurobiologisch erklärbare Störung im Bereich derjenigen Hirnabschnitte angenommen, die übergeordnete Steuerungs- und Koordinationsaufgaben in der zerebralen Informationsverarbeitung übernehmen. Neuere funktionelle Untersuchungen mit „Brain-Imaging“-Methoden zeigen eine Hyperaktivität und Dysregulation in gewissen Bereichen der Neurotransmittersysteme von Dopamin, Noradrenalin und zum Teil auch Serotonin. Dadurch wird die schon lange bekannte positive Wirkung der Medikation mit Stimulanzien verständlich. Neue MRI-Untersuchungen zeigen überdies bei Erwachsenen diskrete Struktur- und Grössenunterschiede in Abschnitten des Frontalhirnes und der Stammganglien. Häufig ist die ADHS mit Teilleistungsstörungen wie Legasthenie und Dyskalkulie kombiniert. Wie bereits erwähnt zeigen etwa 50 Prozent der in der Kindheit diagnostizierten ADHS-Patienten auch im Erwachsenenalter weiterhin zum Teil schwerwiegende Symptome, wobei vor allem die Problematik der Aufmerksamkeitsstörung andauert.

Referenzen:
(1) Ryffel-Rawak, D. (2007). ADHS bei Erwachsenen – Betroffen berichten aus ihrem Leben. Bern: Hans Huber: 19-14.

Hinweis:
Der folgende Beitrag ist ein Zusammenzug aus dem gleichnamigen Buch (2007) von Doris Ryffel-Rawak. In Teil I finden sich Informationen zu Merkmalen & Ursachen. In Teil II geht es um Diagnose & Therapie. In Teil III folgt eine spannende Ergänzung aus einem Artikel (2014) von Hainer Lachenmeier, welcher sich zu Missverständnissen, Hyperfokussierung & Selbstwert bei Menschen mit ADHS äussert.

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