In Teil I dieses Artikels wurde die Thematik rund um das Drama-Dreieck und die sozialen Rollen genauer betrachtet. Für eine genauere Betrachtung sollen nun Praxisbeispiele die Theorie verdeutlichen.
In konkreten Kommunikationsabfolgen aus dem Alltag lassen sich soziale Rollen am besten beobachten und bestimmen.
Opfer-Retter-Dynamik
Der 10-jähriger Junge hebt hilflos die Achseln und schaut die Mutter mit einem notleidenden Blick an. Er weiss genau, dass sie ihm helfen wird, die Jacke zu schliessen und die Schuhe zu binden.
Die Mutter ist zwar unter Zeitdruck, doch sie freut sich insgeheim, dass der Junge immer noch ihre Unterstützung möchte. Da ihr Mann sie in den letzten Jahren immer weniger beachtet, gibt ihr dies ein angenehmes Gefühl des «Gebraucht-werdens».
Verfolger-Opfer-Dynamik
«Immer kommen wir wegen dir zu spät!» sagt der Mann genervt zu seiner Ehefrau. «Was machst du nur immer so lange im Bad?» Die Frau reagiert unterwürfig und entschuldigt sich mehrmals. Sie fühlt sich schuldig, denn sie weiss, wie unangenehm es ihrem Mann ist, wenn sie nicht mindestens dreissig Minuten früher beim Konzerteinlass sind. Andererseits erinnert sie sich an das letzte Mal, als er beim Apéro darüber geklagt hat, dass ihre Robe farblich nicht perfekt zu seinem Outfit gepasst hat. Sie weiss genau: Eigentlich kann Sie es ihm nie recht machen. Das war schon immer so!
Retter-Verfolger-Dynamik
«Lass mich das machen! Du machst sowieso wieder alles schmutzig!» ruft die Frau von weitem. Das Mädchen rollt mit seinen Augen. Es ist zum Verrückt werden. Sie kann es ihrer Mutter nie recht machen, egal was sie tut. In der Schule ist das Mädchen auffallend passiv. Es traut sich wenig zu und wirkt unsicher. Wenn die Lehrperson etwas erklärt, dann hat es Angst, einen Fehler zu machen. Dadurch wird es nervös, was dazu führt, dass bestimmt bei ihr wieder etwas schiergeht und sich die Kameraden vor lauter Lachen nicht mehr erholen können.
In allen Dynamiken, sowohl bei den sozialen Rollen wie auch bei den psychologischen Spielen, lässt sich eine Nicht-Ok-Haltung beobachten. Psychologische Spiele in der Definition sind eine Abfolge von Kommunikationseinheiten, welche einen bestimmten Ablauf und Dynamik folgen.
So braucht es für ein Psychologisches Spiel eine Spieleinladung, einen Köder, eine Reaktion, einen Switch und eine Spielauszahlung.
Kraftvolle Wendung
Sozialen Rollen per se sind aber nichts Negatives. Jede soziale Rolle kann mit Hilfe der Ok-Ok-Haltung positiv umgedeutet werden und so eine richtungweisende, sinnvolle Wendung einnehmen.
Der Verfolger kann aus einer Ok-Ok-Haltung bewusst für die eigenen Grenzen und Bedürfnisse einstehen und diese in der Begegnung auf wertschätzende Weise kommunizieren, was zum gegenseitigen besseren Verständnis beitragen kann.
Der Retter kann als solches gut abgegrenzt anderen Hilfe und Unterstützung anbieten, wenn dies gefragt ist. Er lässt dem Gegenüber aber auch genügend Raum für die eigene Entwicklung und Autonomie und wahrt Grenzen und Bedürfnisse seines Gegenübers.
Das Opfer kann sich aus einer gestärkten Haltung Hilfe holen und nach Unterstützung fragen. In einem ersten Schritt prüft es jedoch, welche Kompetenzen es für die Lösungsfindung zur Verfügung hat und ob es so nicht selbst zur Lösung gelangen kann.
Hinweis
In Teil I gibt es eine generelle Einführung zu Drama-Dreieck und sozialen Rollen. In Teil II finden Sie konkrete Beispiele aus dem Alltag, die die sozialen Rollen aufzeigen. Spannend ist auch die Weiterführung zu den Psychologischen Spielen.
Falls Sie mehr zu Ok-Ok-Haltung erfahren möchten, finden Sie ebenfalls einen Artikel dazu. Die Theorie der psychologischen Spiele lässt sich auch mit der Theorie der Seelischen Grundbedürfnisse sowie der Skripttheorie verbinden. Auch hierzu finden Sie spannende Artikel und Erklärungen unter der Rubrik Blog.
Referenz
Schlegel, L., Transaktionale Analyse, 1977, DSGTA: 44-47