Erling Kagge beschäftigt sich in seinem Buch «Stille – ein Wegweiser» mit den Fragen «Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute wichtiger denn je?» und «Was ist, wenn die Stille plötzlich antwortet?»
Viele Menschen haben Angst vor der Stille. Wir tendieren dazu, uns lieber abzulenken und der Stille «davonzulaufen». Die Stille auszuhalten und in uns zu horchen, fällt vielen Menschen schwer. Aber warum eigentlich? Die Stille vermeiden, mit wichtigen und unwichtigen Dingen. Keine Langeweile aufkommen lassen. Erling Kagge spricht hier von der Furcht, sich besser kennen zu lernen. (1)
«Das Gegenteil von Stille ist laut Abramovicc ein Hirn, das arbeitet. Und denkt. Wenn du Ruhe finden willst, musst du aufhören zu denken. Nichts tun. Die Stille ist ein Werkzeug, um der Umgebung zu entkommen. Schafft man es, ist es laut Abramovic wie ein «Erdrutsch im Gehirn». Die Elektrizität in der Luft verändert sich, wenn die Welt ausgesperrt ist. Es kann lange dauern oder nur den Bruchteil einer Sekunde. Die Zeit steht still, wie Soren Kierkegaard meinte.
Es hört sich so einfach an, ist es aber nicht. Als Abramovic das erste Mal in eine Wüste fuhr, erschrak sie. Sie erlebte das Gegenteil von Stille, obwohl es so still war, dass sie lediglich ihr eigenes Blut rauschen hörte, das ihr Herz durch den Körper pumpte.» (2)
Wir müssen dafür nicht in die Wüste fahren. In die Stille einzutreten ist ganz einfach. Wir können verschiedene Methoden anwenden wie Yoga, einen Spaziergang im Wald, ein Schweigeseminar, Beten, etc. Wir begegnen dieser Stille aber auch, wenn wir einem Baby einen kurzen Moment direkt in die Augen schauen. Dieser Ort der Begegnung, dieser kurze Moment, ist magisch. Kragge beschreibt in anderem Kontext: «Ich weiss, es heisst, die Augen seien der Spiegel der Seele oder so, aber der wirklich entscheidende Punkt war nicht, dass ich tatsächlich einen anderen Menschen sah, sondern dass ich einen anderen Menschen sah, der tatsächlich mich sah.» (3)
Für das Erleben der Stille braucht es aber kein Gegenüber. Es geht um die Begegnung mit sich selbst, im Einklang und Resonanz mit dem grösseren Ganzen. Erst im nächsten Schritt geht es um die Frage, wie ich jemandem wirklich begegnen kann, wenn ich nicht zulasse, mir und meinem innersten Selbst wirklich zu begegnen?
Dies wird auf ganz besondere Weise möglich in der Stille. Es ist eine Begegnung der besonderen Art, die vielleicht etwas Mut und Vorbereitung braucht. Andererseits höre ich, wie Menschen urplötzlich persönliche Einsichten haben, welche sie an eben diesen Ort der Stille, der absoluten Klarheit, losgelöst von kreisenden Gedanken oder einem Gefühl der Unzulänglichkeit, bringt. Die Stille ist immer möglich. Bleiben Sie offen dafür! Die Chance besteht, dass Sie reich beschenkt werden!
Passend dazu habe ich einen Artikel zum Thema «Intuition» verfasst. Eine Erhöhung der Bewusstheit für unsere intuitiven Fähigkeiten bringt uns unweigerlich auch näher zu dieser «inneren» Stille.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Explorieren!
Referenzen:
(1) Kagge, E. (2017). Stille – Ein Wegweiser. Berlin: Insel Verlag: 21.
(2) Kagge, E. (2017). Stille – Ein Wegweiser. Berlin: Insel Verlag: 113.
(3) Kagge, E. (2017). Stille – Ein Wegweiser. Berlin: Insel Verlag: 121.
Hinweis:
Dieser Beitrag besteht aus zwei Teilen. Sie finden direkten Zugang via folgendem Link:
Die Stille – Teil I
Die Stille – Teil II